Stefan Berchtold & Ingolf Keiner, D
- Kodf fofomt Ton
- Fluidum 3
Konsumgebäude, Tornitz
Gaststätte "Zur Post", Tornitz
Kultur- und Heimatverein, Tornitz
Kegelbahn, Werkleitz
Kodf fofomt Ton

Performance, 27 min, Konsum, Internet-Raum in Tornitz

Wir kauern unter Computertischen auf dem Boden und verformen dabei durch ausschließliches Einwirken mit dem Schädel kopfgroße Tonkugeln.

„Der Kopf ist rund und dumm.
Er nimmt nur wahr, was kommt und geht,
nicht aber, was bleibt.
Man kann ihn allerdings sehr gut in weichen Ton stoßen,
um Skulpturen herzustellen.” I. K.

„es gibt kein hartes leben im weichen.” S. B.

Fluidum 3

Zu einer 5-fach verlangsamten Nachrichtenstimme werden Lebensmittel und Gegenstände in Zeitlupe zweckentfremdet. Die Aktionsreihe findet an verschiedenen Orten statt.

„Das Leise eines ungebackenen Brötchens wird in aller Langsamkeit genauso untersucht wie die Mechanik der Wurstkette.”
I. K.

- Langsam steht es gut.
Slow-life Performance, 18 min, Gaststätte Zur Post, Tornitz

- Anbiederung des Großstädters an die ländliche Idylle
Slow-life Performance, 18 min, Scheune im Heimatverein, Tornitz

- Leiser Käse.
Slow-life Performance, 21 min, Windfang der Kegelbahn, Werkleitz

 

Kodf Fofomt Ton

In dem Versuch, den verschiedenen Ansätzen der Performer und Performerinnen eine begrifflich gestützte Betrachtung und Leserichtung zu geben, hat ASA-European in dem Papier „Culture of Performance Art“ eine Liste von Bezeichnungen gesammelt, die die Künstler für ihre Arbeit nutzen, sie darauf beziehen. Zum Teil sind diese Begriffe bereits kunsthistorisch besetzt, sind Leitlinien geworden. z. B.: moving sculpture, public sculpture, body art, body works, rituelle Plastik, expanded performance.

Im alten Konsum des Ortes Tornitz, Hauptsitz der Werkleitz Gesellschaft, fand nach der Eröffnung die erste Performance durch Ingolf Keiner und Stefan Berchtold statt.

In dem Raum, der durch die in der länglichen Mitte plazierten Tische für die Internetpräsentation beengt war, lagen Tonkugeln in Kopfgröße unregelmäßig verteilt, zum Teil zwischen den Füßen der anwesenden Gäste.

Die beiden Performer traten durch die Tür in den Raum und jeder kniete sich nieder und begann mit dem Kopf, eine der Kugeln zu bewegen. Aus der Bewegung heraus wurde schnell sichtbar, daß die Intention ein skulpturaler Gestaltungsvorgang war. Kneten, rollen, drücken, anheben, Oberflächen strukturieren usw.


Die nur mit der Stirn ausgeführte, direkte Berührung des Tons erforderte eine zum Teil gymnastische oder akrobatisch wirkende Körperhaltung, Kopf und Leib als skulpturale Handlung. So wurden nach und nach die Kugeln durch den Raum bewegt, nahmen Gestalt an und wurden aus einer Entscheidung heraus als Relikt verlassen, um sich der nächsten Kugel zuzuwenden, bis alle Kugeln bearbeitet waren.

Die entstandenen skulpturalen Formen waren nicht der Zweck der Arbeit, meines Erachtens sind die danach gestellten Fragen: ob nun diese Formen gebrannt werden, ob sie ausgestellt werden etc. hinfällig. Da liegt auch die Sollbruchstelle, besteht eine Intention zur Produktion oder wird diese vermieden zugunsten der puren Handlung.

Von Sartre stammen Sätze über Hände, die sich auf die Arbeiten von Wols und Giacometti beziehen. Die Handtellerspiele, die Skulptur in dem Vorgang des Entstehens. Die BODY ART in den sechziger Jahren begrifflich gefaßt, ist Performance im Geiste der Skulptur.


Fluidum 3

Diese Performance haben die beiden Künstler dreimal und jedesmal an einem anderen Ort gezeigt.

Das erste Mal zwischen den Stuhlreihen vor dem Beginn eines Vortrags in dem Festsaal zur Post, das zweite Mal auf den Treppenstufen, die in einen Heuboden führten und die letzte an einem Tisch im Vorraum der Kegelbahn in Werkleitz.

Ausgangssituation 3
Zwischen den beiden Performern stand ein Tisch, standen und lagen Brötchen, Harzer Roller, Camembert-Käse, Wasser und Gläser, Mettwürste, Wurstscheiben, Obst und Gemüse, eben alles, was man nun zu einer gerade nicht kärglichen Brotzeit benötigt, naturgemäß auch ein Radiogerät.

Die Performer begannen mit dem Abspielen eines Tapes im Ghettoblaster, der Sound kam verzerrt, das Abspielen war extrem schnell oder extrem verlangsamt wieder aufgenommen worden. I. Keiner und S. Berchtold begannen in slow motion die Brotzeit zu sich zu nehmen. Daß dabei auch die Butter in das Ohr des einen gestrichen wurde oder der andere mit Harzer Roller gefüttert wurde und dabei lange Zähne bekam, gab dem Spiel sehr humorvolle Schichten. Das Abschneiden einer Mettwurst von einer Reihe Würste führte die beiden Performer in völlig absurde Bewegungsabläufe und unter den Tisch. Gibt es nicht den Begriff des Sketches? Diese Performance hatte Elemente des „slaps“, des „entertainment“, berührte Strukturen des Theaters.

Spannend, daß in der kontrollierten, verlangsamten Bewegung, wenn sie im Fluß gehalten wird, völlig anders gestaltete Handlungen auftreten. Wo verschwinden die alle, wenn man im geregelten Bewegungsfluß ist?

Boris Nieslony