Carmen Mörsch, D
-Alles wird gut
-Workshop mit 20 Teilnehmerinnen
Kirche Werkleitz, Halle
Installation
4 Holztruhen, je 175 x 75 x 80 cm
4 Objekte, diverse Materialien, 1998

Workshop mit Teilnehmerinnen aus Calbe, Tornitz und Werkleitz
Installation: bemalte Glasscheiben, Begriffslisten, Filzstiftzeichnungen
"An der Eingangstür zur Kirche hat Carmen Mörsch per Notiz angekündigt, daß „die 4, die an allem Schuld sind“ endlich gefangen und erschlagen worden seien und jetzt alles gut werde. Zum Beweis dieses Sieges sind nun in der Kirchenhalle die Kadaver jener Monster, die für alle Übel der Welt verantwortlich waren, auf vier großen, an Särge erinnernde Truhen aufgebahrt (bzw. angeprangert): Es sind aus Kunststoffen, Gips, Textilien und Latex geformte Lebewesen, denen man ihre Todesursache noch ansieht (sie haben Stichwunden, wurden erschossen, zerrissen oder plattgewalzt) und die daher einerseits Schrecken und Mitleid erregen, andererseits aber auch an niedliches Spielzeug oder entfernt an Comicfiguren erinnern und irgendwie belustigen. Ihr Charakter ist sowieso durch und durch hybrid: Eines scheint eine Kreuzung aus Tintenfisch und Ratte zu sein, ein anderes ist halb männlich und halb weiblich, wieder ein anderes mag auf den ersten Blick sowohl an eine zerquetschte Kröte als auch einfach an einen Haufen Industriemüll erinnern. Jedes der vier Monster ist die Visualisierung einer bestimmten Gruppe von Übeln und gemeinsam sind sie – etwa in Entsprechung zu den vier Elementen des Lebens – die Verkörperung der absoluten Schlechtigkeit. Da die Übel auf Kunststoffplaketten an den Truhen auch benannt werden, fungieren die bildhaften Objekte symbolisch gewissermaßen als Voodoopuppen, währenddem sie als tatsächliche Monster sogar echte Sündenböcke sind. Und ganz nebenbei wird dadurch auch der Unterschied zwischen z. B. einem gemalten und einem geschnitztem Christus am Kruzifix deutlich.

Im Vorfeld dieses Projektes hatte die Künstlerin in Berlin zu einem privaten Think Tank eingeladen, bei dem Freunde und Kollegen eine Liste von Übeln aufstellten (die Bandbreite reichte von großen Übeln wie etwa „Rassismus“ bis hin zum Ärger über „Hundekot“), diese dann nach bestimmten Kriterien in vier Gruppen aufteilten und zuletzt über einige von Carmen Mörsch vorgeschlagene Skizzen zur Visualisierung berieten. Dem kollektiven Moment dieser Arbeitsmethode ist die Künstlerin anläßlich der zweiten Präsentation der „Monster“ zur 3. Werkleitz Biennale weiter nachgegangen: eine Woche vor der Ausstellungseröffnung hat sie mit interessierten Dorfbewohnerinnen und deren Kindern in der Kirche Werkleitz einen viertägigen Workshop zu dem Themenkreis „Gut & Böse“ und zu der biblischen Geschichte des Sündenbocks durchgeführt. Die dabei entstandenen bemalten Glasscheiben, die wiederum Versuche der Visualisierung (also Projektionen) sind, sollen auf Vorschlag der Teilnehmerinnen als dauerhafte Installation in der Kirche Werkleitz verbleiben. Andere Resultate und Überbleibsel der „Sündenbock-Werkstatt“ – z. B. die Begriffslisten des ersten Brain Stormings, Zeichnungen und Skizzen – sind während der Biennale im Nebenraum der Kirche Werkleitz zu besichtigen."

Holger Kube Ventura