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Tornitz und Werkleitz aus der Sicht des in Werkleitz wohnenden Schriftstellers Ernst Finster (Auszüge)

Die Gemeinde Tornitz besteht aus den beiden nebeneinanderliegenden Dörfern Tornitz und Werkleitz sowie dem etwas abseits gelegenen Ortsteil Grube Alfred. Alle drei Dörfer liegen im Urstromtal der Elbe und Saale, heute der Elbe-Saale-Winkel genannt. Die Dörfer Tornitz und Werkleitz erheben sich, aus der Ferne nur schwer erkennbar, aus einer flachen und waldlosen, von keiner Erhebung unterbrochenen Landschaft östlich der von Calbe nach Barby führenden Straße. Die am ”Handweiser“ nach den beiden Dörfern abzweigende Straße endet an der Saale gegenüber von Groß Rosenburg. Eine Gierfähre vermittelt den Verkehr zum anderen Ufer.

Nach der Saale zu fällt das flache Land leicht ab. Die Felder enden hier an einem Damm, der den vielgewundenen Unterlauf der Saale bis zu ihrer Mündung in die Elbe bei Saalhorn begleitet. Zwischen Damm und Fluß breiten sich Wiesen aus. Teile der Gemarkung, besonders der von Werkleitz, liegen im Überschwemmungsgebiet der Saale. Jenseits der Saale breitet sich ein Auwaldgebiet aus, das sich bis zur Saalemündung erstreckt.

Der Wald bestand einst vorwiegend aus Ulmen und Eichen. Nach langjährigem Befall durch den Kupferstecher, einer Borkenkäferart, setzte ein Ulmensterben ein, das den Wald stark lichtete. Heute sind die letzten Ulmen- und Eichenbestände vorwiegend von Ahorn, Eschen, Erlen, Pappeln und Kornellkirschen durchsetzt und von Haselsträuchern, Hartriegel, Weißdorn und Holunder unterwuchert. Der schon im zeitigen Frühjahr blühende, geschützte hohlwurzige Lerchensporn, eine den Waldboden bedeckende Pflanze, erreicht hier seine Nordgrenze.

Charakteristisch für den Rosenburg-Werkleitzer Auwald ist das verhältnismäßig starke Vorkommen des Graureihers, des Roten Milans und seit einiger Zeit auch des Kormorans. Auf dem Schornstein der alten Molkerei zwischen Werkleitz und Tornitz brütet seit Jahren ein Weißstorchenpaar. Im Auwald und auch auf den Feldern stehen Rehe. Rot- und Schwarzwild tauchen häufig als Gäste auf. Der Feldhase, einst hier so häufig, daß er der Landschaft den volkstümlichen Namen ”Barbyer Hasenwinkel“ gab, ist selten geworden.

Die Dörfer liegen flach geduckt mit meist niederen Häusern in einer weiten, fruchtbaren Landschaft, von den Türmen der romanischen Wehrkirchen nur wenig überragt. Beide Dörfer waren in ihrer ursprünglichen Anlage typische slawische Rundlinge mit nur einem Eingang. Noch bis in unsere Zeit hinein machten die hohen, mit ihrer Rückwand nach außen gekehrten Scheunen und Ställe mit ihren fensterlosen Wänden einen abweisenden Eindruck auf den Besucher, der sich dem Dorf näherte.

Tornitz und Werkleitz waren reine Bauerndörfer ohne Großgrundbesitzer. Es gab hier keine Rittergüter oder staatliche Domänen. Die Höfe der Groß- und Mittelbauern mit ihren hohen Torbögen prägten das Dorfbild. Unter Denkmalschutz stehen die beiden romanisch en Wehrkirchen, das Fährwindenhaus an der Rosenburger Fähre und die Bockwindmühle am Tornitzer Dorfeingang.

Tornitz

Von der Straße Calbe-Barby am sogenannten ”Handweiser“ nach Osten abbiegend, führt die Straße am neuen Kieswerk vorbei auf das Dorf zu. Durch die Förderanlagen dieses Kieswerkes wird ein Teil der westlichen Dorfansicht verdeckt. Die für die Zukunft geplante Umgestaltung der hier entstandenen Wasserfläche zu einem von Gehölz umstandenen Badesee wird diesen Teil der Landschaft stark verändern. Noch vor der Dorfmitte biegt die Straße nach Werkleitz ab. Eine Lindenallee bildet das Innere des alten Rundlingdorfes. Der einstige Dorfteich, Mittelpunkt des Rundlings, wurde zugefüllt und zu einer Grasfläche mit Kinderspielstätte umgestaltet.

Im Zuge der Bodenreform und der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft erfolgten Baumaßnahmen, die Aufgabe von Bauernhöfen und der damit vielfach verbundene Zerfall der nicht mehr genutzten Ställe und Scheunen zerstörte zum Teil das alte gewachsene Dorfbild. Das zeigt die unschöne Rinderstallanlage zwischen Tornitz und Werkleitz. Gleich hinter dieser Anlage, bei der alten Molkerei mit dem Storchennest auf dem Schornstein, endet Tornitz und Werkleitz beginnt.

Werkleitz

Ebenso wie Tornitz drückt sich auch Werkleitz mit seinen niederen Häusern in die flache Landschaft. Die mit Rosen und Koniferen bepflanzte Hauptstraße liegt außerhalb des alten slawischen Rundlings. Die alte Siedlung muß sehr klein gewesen sein, umfaßte wohl nur die heutige Saalestraße mit der Kirche als Mittelpunkt. Der Name des Kirchturms, der stilwidrig einen Dachreiter mit Spitzdach trägt, ”Sachsenturm“, bedarf noch der Deutung.

Das Dorf war in alten Zeiten rings von Wasser umgeben und der Zugang führte über eine Zugbrücke. Werkleitz lag so versteckt zwischen Wald, Wasser und Sumpf, daß es im Dreißigjährigen Krieg von keiner der kriegsführenden Parteien entdeckt wurde.

Grube Alfred

Der aus vier Häusern bestehende Ortsteil ist mittels einer vom Hauptdorf nach Westen verlaufenden Straße zu erreichen. Es besteht aus dem sogenannten ”Schlafhaus“, dem letzten Gebäude der ehemaligen 1914 abgesoffenen Braunkohlegrube, aus zwei Einfamilienhäusern, das eine mit einem Reiterhof, und einem Bahnwärterhaus. Die westlich der Bahnstrecke gelegenen seenartigen Teiche entstanden durch das Absaufen der im belgischen Besitz befindlichen Untertagegrube. Das Teichgebiet ist heute als Bergschadengebiet ausgewiesen.

Über die Geschichte von Tornitz und Werkleitz ist nicht viel zu berichten. Ihre Einwohner, wohl meistens Bauern und in ihrer Frühzeit auch Hirten, Jäger, Fischer und Waldfrüchte- und Wildbienenhonigsammler, verbrachten keine großen Heldentaten.

So fand sich auch kein Schreibkundiger, der die kleinen Ereignisse ihres Lebens, all ihre Sorgen und Nöte, aber auch Glück und Freude, zu Papier brachte. Wir wissen nur, daß beide Dörfer seit ihrer frühesten Geschichte zur alten Grafschaft Barby gehörten und mit dem Aussterben des Reichsgrafen von Barby im Jahr 1617 mit der Grafschaft an das Fürstentum Sachsen-Weißenfels und später an das Kurfürstentum Sachsen fielen.


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